
Anlaufstellen für Heranwachsende sollten präsenter sein
Schutz bei akuten Lebenskrisen

Meine Aufgabe als Zuweiserin der Vormundschaftsbehörde war es, eine möglichst gute Lösung für Kinder und Jugendliche zu finden, die Hilfe und Beistand brauchen. Zum Beispiel, weil es zuhause nicht mehr ging oder weil sie bereits von der Polizei aufgegriffen wurden. Gemeinsam mit dem Team vom Riesbach, habe ich das Gefühl, dass uns das oft sehr gut gelungen ist. Sie wussten, welche Kinder und Jugendlichen ich bringe. Vielleicht nicht nur die, die Probleme machen, sondern auch solche, mit denen sie arbeiten und eine gute Lösung finden können.
Die Krisenintervention Riesbach ist eine Art Auffangbecken für Kinder und Jugendliche, die aus diversen Gründen für eine gewisse Zeit nicht mehr zu Hause oder in anderen Institutionen bleiben können. Sie widmet sich der Krisenintervention und bietet Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit, zur Ruhe zu kommen und herauszufinden, was sie selbst, ihre Familie oder das Beziehungssystem dazu brauchen.
Die Institution Riesbach befindet sich in einem sehr schönen Gebäude mit einem schönen Garten. Das Gute ist, dass es auch eine interne Schule gibt. Das Schulhaus ist direkt neben dem Wohnhaus. Die Kinder haben also keinen Schulweg. So können sie nicht den Rückweg antreten, bevor sie überhaupt dort sind. Sie müssen einfach nur das Haus wechseln. In der internen Schule können sie dann den Schulunterricht wieder aufnehmen und auch Lernstoff aufarbeiten, den sie verpasst haben. Für Jugendliche, die kurz vor der Lehrstellensuche stehen, engagiert sich das Riesbach und unterstützt zum Beispiel auch bei der Suche nach externen Schnupperlehren.

«Erwachsenwerden ist schwierig und wird immer anspruchsvoller. Auch wenn es im näheren Umfeld mal schwierig ist, kann man sich extern Hilfe holen.»
Ich denke gerne an die Zusammenarbeit zurück. Sie wurde sehr vertraut. Wenn ich angerufen und einen Platz gebraucht habe, haben sie immer ihr Bestes gegeben, eine Lösung zu finden. Es war vom ganzen Team eine sehr grosse Bereitschaft spürbar, den Kindern und Jugendlichen einen guten Aufenthalt zu ermöglichen. Auch suchte man immer eine gute Anschlusslösung, da die Kinder und Jugendlichen ja nur vorübergehend dort sind.
Bevor es zu einem Eintritt ins Riesbach kommen konnte, musste man erst einmal mit den Kindern und Jugendlichen herausfinden, welchen ‘inneren Kampf’ sie führen. Was genau ist ihre Situation? Manchen Kindern und Jugendlichen fällt es schwer, ihre Gefühle einzuordnen und zu formulieren.

Wie hast du das jeweils herausgefunden?
Der Stimmungsflip auf meinem Schreibtisch hat hier sehr geholfen. Alle Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen kennen diesen Gegenstand. Er zeigt verschiedene Gefühlszustände mit Visualisierungen auf. Zum Beispiel «Ich fühle mich wütend», «Ich fühle mich wertlos». Aber auch positive Gefühle wie «Ich fühle mich zufrieden».
Auf diese spielerische Art kann man etwas besser ins Gespräch kommen und vor allem, auch die Situation besser verstehen. Das ist sehr hilfreich bei Elterngesprächen, um die Lage des Kindes zu verdeutlichen und die Platzierung in einer Institution gut abzustimmen. Teilweise war es sicher eine Herausforderung, die Eltern davon zu überzeugen, dass ihr Kind diese Unterstützung benötigt, einen Platz haben könnte und sie ihr Einverständnis dazu geben müssen.
Normalerweise klärte ich bereits im Vorfeld des Gesprächs ab, ob es überhaupt einen freien Platz gibt. So konnte ich dem Kind oder dem Jugendlichen schon erzählen, was das Riesbach genau ist und eine gemeinsame Besichtigung vorschlagen. Vor Ort gab es dann ein Einführungsgespräch, in dem die Regeln der Institution erklärt wurden, wie zum Beispiel: ‘Das Handy über Nacht abgeben’. Dann gingen wir gemeinsam durch die Räumlichkeiten.
Erwachsenwerden ist schwierig und wird immer anspruchsvoller. Auch wenn es im näheren Umfeld mal schwierig ist, kann man sich extern Hilfe holen. Ich wünsche mir, dass sie das wissen. Aber auch, dass die Anlaufstellen für Heranwachsende in der Öffentlichkeit präsenter werden, damit sie sich schneller und eigenständig an diese Stellen wenden können und sich so weniger verloren fühlen.