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Mehr als volle Bäuche

Schulinternat Aathal

Ein Koch als stille Konstante im Heimleben

Zwischen dampfenden Töpfen, neugierigen Blicken und Gesprächen über Küchentheken hinweg wurde Ernst zu mehr als nur dem Koch, der für volle Bäuche sorgte: Er war Zuhörer, Mentor und feste Konstante im Alltag vieler Kinder und Jugendlicher. Was als beruflicher Wechsel vom Gastgewerbe ins pädagogische Umfeld der Institution Aathal begann, wurde für Ernst zur erfüllenden Lebensaufgabe. Im Interview erzählt der pensionierte Koch von den Herausforderungen und Freuden seines Berufs, und davon, wie aus einer Aushilfe seine Nachfolgerin wurde.
Erinnerst du dich an deinen ersten Tag in der Institution «Aathal»?

Daran erinnere ich mich noch sehr gut. Das war am 29. Mai 1989. Eine Kollegin hat mich auf die Ausschreibung aufmerksam gemacht. Ursprünglich komme ich aus dem Gastgewerbe und ein Heim ist natürlich etwas ganz anderes. Es hat aber damals sehr gut in meine Lebenssituation gepasst. Ich hatte inzwischen drei Kinder und wollte etwas mehr Zeit für sie haben. Als Koch ist man oft stark eingebunden, abends und auch an den Wochenenden. Da habe ich mich sehr über die Stelle gefreut und war an meinem ersten Tag neugierig, aber auch etwas nervös. Ich wurde aber sehr herzlich empfangen und es hat mir von Anfang an gut gefallen.

Hättest du damals gedacht, dass du so lange bleiben würdest?

Gedacht hätte ich das nicht, gehofft habe ich es aber schon.

Was macht die Institution «Aathal»?

Das Schulinternat Aathal ist eine Institution, die Kinder und Jugendliche vom vierten bis zum neunten Schuljahr begleitet. Es gibt Teilzeit- und Vollzeitangebote mit integriertem Wohnen.

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Und was war deine Rolle?

Ich war Koch und habe in erster Linie für volle Bäuche gesorgt. Ausserdem habe ich sechs Lernende ausgebildet. Die letzte Person, die ich ausgebildet habe, hat meinen Job übernommen als ich pensioniert wurde. Ich kannte sie bereits. Sie hat zuvor schon als Aushilfe bei uns gearbeitet und dann hat sie sich mit 30 dazu entschieden, bei mir eine Lehre als Köchin zu machen. Und auch wenn ich jetzt pensioniert bin, ist meine Kochjacke aber immer noch im Einsatz. Ich helfe hin und wieder einmal im Aathal aus und mache Ferienvertretungen. Jetzt ist sie der Chef und ich der Stift.

Das klingt so, als würdest du deinen Beruf noch immer sehr gerne ausüben.

Auf jeden Fall. Koch zu sein bringt mir Freude. Es inspiriert mich, aus Lebensmitteln etwas Neues zu kreieren und ich arbeite gerne mit anderen zusammen und bringe ihnen etwas bei. Am meisten freut es mich aber, für Zufriedenheit im Bauch zu sorgen. Geniessen ist wichtig.

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«Jetzt ist sie der Chef und ich der ‘Stift’.»
Wie war deine Beziehung zu den Kindern und Jugendlichen?

Ich war für sie eine neutrale Stelle, wo sie frei heraus reden und ihren Frust ablassen konnten. Ich habe keinen sozialpädagogischen Hintergrund und vielleicht war genau das der Grund, warum sie mich aufgesucht haben. Es ging ihnen nicht darum, viel Persönliches mitzuteilen. Die Gesprächsthemen waren meistens sehr allgemein. Ich denke es ging einfach darum, dass sie sich irgendwo mitteilen konnten, ohne bewertet zu werden.

Sie sind also einfach so in die Küche spaziert, wenn sie Redebedarf hatten?

Manche schon. Auch wenn sie eigentlich ein anderes Programm hatten, haben einige einen Abstecher zu mir in die Küche gemacht. Wir hatten natürlich auch ein Berufsintegrationsprogramm, dann durften sie den ganzen Morgen mit mir arbeiten, damit sie den Job kennenlernen und den Arbeitsvorgang. Und es gab auch einige, die manchmal in der Schule etwas schwierig waren. Dann hat man mich angefragt, ob man sie zu mir schicken dürfe. Ich habe immer ja gesagt, ausser sie hatten gerade ein wichtiges Fach, dann sollten sie besser in der Schule bleiben.

Einblicke

25 Jahre —
in persönlichen Geschichten